ᐊ Back

All the World’s a Screen: Shakespeares viele Facetten verfilmt

All the world’s a stage / and all the men and women merely players – dieser Satz aus As you like it ist der bekannteste Satz von William Shakespeare und der wichtigste, wenn man die Tradition des Shakespeare-Theaters verstehen möchte. Unter dem Motto, dass die ganze Welt ein Theater ist, führte er im „Globe Theatre“ Stücke für allerlei Menschen auf – alt und reich, klug und arm, klein und jung, gross und breit. Inklusiv ging sein Nachleben weiter, als man sich einig wurde, dass Shakespeares Stücke so universell sind, dass sie auch von jeder und jedem gespielt werden sollen. Shakespeares Bühne ist seither traditionell ein Ort, wo eine jede und ein jeder eine beliebige Figur darstellen kann. Dadurch werden die universellen Themen von Shakespeare – Liebe, Identität, Tod, uvm. – erst richtig universell. Macbeth als Graffiti-Sprayer, Othello als Jazz-Pianist? Wurde alles schon gemacht! Und jetzt geht es heiter weiter auf unseren Kino-Leinwänden, vor denen Shakespeares Universalität nicht haltmacht. Im Folgenden die schauspielerisch und cineastisch frischesten und stärksten Reprisen der Stücke des grössten Dichters der westlichen Welt!

 

Much Ado About Nothing von Joss Whedon (2012)

„The course of true love never did run smooth“

 

 

Fun fact voraus: „Nothing“ war zu Shakeys Zeiten ein Slangwort für Vulva und der Titel des Stücks somit ein augenzwinkernder Scherz. Tatsächlich dreht es sich in diesem Stück um die schönste Nebensache in unserem Leben und nicht viel mehr. Zu seiner Zeit dürfte es auch besonders witzig gewesen sein, dass statt Frauen und Männer nur Männer und Dragqueens auf der Bühne standen und mit viel Wortwitz balzten.

Joss Whedons Version hat ihre ganz eigenen Vorzüge. Zum einen wäre da der Kontext für Whedon: Seine Frau und er drehten diesen Film anstelle von herkömmlichen Flitterwochen, was perfekt zur feuchtfröhlichen Stimmung des Stücks passt. Es war zudem ein zeitlich überschaubarer Dreh mit Cast&Crew, deren Mitglieder ausschliesslich aus Freunden und Bekannten bestand. Ausserdem ist das grosse Fest zu Beginn des Stücks eine echte Party mit echter Live-Musik. Eine weitere Stärke des Films besteht in der Smoothness des Texts auf zeitgenössischem Amerikanisch. Die Performance aller Beteiligten ist untertrieben und nur ganz leicht campy. So frisch und lebendig hat Shakespeare schon lange nicht mehr ausgesehen!

 

Coriolanus von Ralph Fiennes (2011)

„Coriolanus is grown from man to dragon“

 

 

Aber was sag ich denn da? Shakespeare wurde erst ein Jahr zuvor frisch und lebendig verfilmt, und zwar von niemand anderem als dem begnadeten Schauspieler Ralph Fiennes. Für sein Regie-Debüt suchte er sich ein eher obskures Stück von Shakespeare aus, in dem es um einen römischen General geht, der politische Karriere macht und an der Unvereinbarkeit zwischen Militär-Ethos und Polit-Intrigen scheitert. Er versucht darauf einen Militärputsch, den er aus Liebe zu seiner Familie aufgibt.

Der Film dürfte jeden überraschen, der sich Shakespeare als staubiges Theater in bunten Kostümen vorstellt. Der Staub wird hier von Granaten und Panzern aufgewirbelt, die im Buch nur grob beschriebenen Kämpfe sehen hier wie Aufnahmen aus Nah-Ost aus. Das unzufriedene Volk ist hier eine gewalttätige Masse, die in turbulenten Szenen von Spezialkommandos der Polizei bekämpft wird. Der Text von Shakespeare wird hier gebellt und geschrien, bevor man sich an die Gurgel geht und Gebäude in die Luft jagt. Aus den Blankversen trieft hier reichlich Testosteron; So viel brachiale Energie hätte man nie hinter dem Begriff „Shakespeare“ erwartet.

 

Romeo + Juliet von Baz Luhrmann (1996)

„If love be rough with you, be rough with love“

 

 

Ersetze Testosteron mit Ecstasy und homoerotische Militärs mit wilden Teenagern, und wir sind praktisch wieder beim selben angelangt. „Romeo and Juliet“ muss man nicht mehr vorstellen, aber auch hier dominieren gewisse Stereotype bei den Leuten, sodass der Film manch einen überraschen dürfte. Denn Baz Luhrmann macht etwas ganz Entscheidendes richtig: Er nimmt „Romeo and Juliet“ nicht ernst. Die Meinung ist zwar nicht Mainstream, aber eine wohlbekannte Fraktion unter den Shakespeare-Experten versteht das Stück mehr als Parodie und campigen Spott auf die naive Liebe unter Teenagern. „Romeo + Juliet“ ist deshalb eine quietschbunte Extravaganza mit wilden Partys, übertriebenem Schmalz und nur schwer auszuhaltendem Melodram am Schluss. Aber auch hier würde man keinen anderen Text wollen als die mehrdimensionale Wortakrobatik von William Shakespeare, die tatsächlich zu jeder Figur in jeder Situation etwas Stimmiges und unglaublich Scharfsinniges zu sagen weiss.

 

Cesare deve morire von den Brüdern Taviani (2012)

„L’uomo guerriero in tempo di pace combatte sé stesso.“

 

 

Zurück zum Prinzip der Universalität von Shakespeare. Wirklich alle dürfen auf Shakespeares Bühne stehen, das wurde zum Beispiel in Projekten umgesetzt, in denen mit Häftlingen in US-amerikanischen Gefängnissen Stücke von Shakespeare aufgeführt wurden. Diese spezifische Tradition wurde dann auch andernorts weitergeführt. Ein solches Projekt in Italien wurde von den beiden talentierten Regisseur-Brüdern Paolo und Vittorio Taviani begleitet und verfilmt. Der Film zeigt uns nichts als die Proben und Aufführungen des Stücks „Julius Caesar“, wodurch die Vergangenheiten und Identitäten der Schauspielenden in den Hintergrund rücken. Das Setting des Gefängnisses wird aber nicht ausgeblendet. Eine ganz eigene Atmosphäre wird geschaffen, indem Brutus’ Rede an das römische Volk in einem Gefängnis-Innenhof gehalten wird und das römische Volk aus vergitterten Fenstern zuhört. All the world’s a stage, even the prisons.

 

Looking for Richard von Al Pacino (1996)

„You don’t have to understand every word in Shakespeare, it ain’t about that.“

 

 

Eine Menge coole Leute mögen und mochten Shakespeare. Tupac zum Beispiel – fun fact! Auch so ein cooler Shakespeare-Freund ist der gute Al Pacino (bekannt aus Scarface, The Godfather, Heat uvm). In „Looking for Richard“ gibt sich Pacino nahbar und kumpelhaft und redet ganz ungezwungen über Shakespeare, und zwar über das Stück „Richard III“. Mit einem Camcorder filmt er spontane Interviews auf der Strasse, in denen er Leute über Theater, Shakespeare und Richard dem Dritten befragt und zeigt danach, wie sein Team vom Theater mit ihm den Shakespeare-Klassiker interpretiert und vor die Kamera bringt. Gegen Schluss lässt er die Doku dann sein und zeigt uns nur noch die Shakespeare-Adaption, wir dürfen dann sozusagen ohne Pacinos Stützräder velofahren. Auch wenn der Film an sich dann die übliche Produktion mit alten Kostümen und langsamen Dialogen ist, hat man nicht das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. Jede und jeder wird hier an die Kunst des Shakespeare-Interpretierens herangeführt, ganz im Sinne des damaligen Globe Theatres. Auch wenn Pacino genau weiss, dass der Universalitätsgedanke hinter dieser Doku steht, würde er es nie zugeben. Es wäre einfach zu prätentiös für seine Art: „It’s Shakespeare, man. It’s just cool. Just really cool, man!“

 

Macbeth von Justin Kurzel (2015)

„All hail, Macbeth, thou shalt be king hereafter!“

 

 

Einer darf bei sowas natürlich nie fehlen und das ist der, dessen Name nicht genannt werden darf. Im Ernst, es gehört in britischen Theatern zum guten Ton, niemals den Titel oder irgendeine Passage des „schottischen Stücks“ zu zitieren. Es dürfte allen klar sein wieso: Der Held der Geschichte wird mit ominösen Zaubersprüchen von Hexen verflucht, sodass er von Machtgelüsten besessen wird. Ausserdem treibt ihn der Wunsch nach Rache für sein verstorbenes Kind an. Von all dem in Rage versetzt mordet er sich auf den Thron, von wo aus er das Blut erst recht spriessen lässt, um sich irgendwie auf diesem Thron zu halten. Das Stück endet mit seinem kompletten Wahn und Niederfall, aus dem heraus er niedergeschlagen verkündet, das Leben sei wild und laut, aber letzten Endes sinnlos.

Dieses Biest von einem Theaterstück, in dem jede einzelne Zeile sprachlich perfekt durchkomponiert ist und Gänsehaut auslöst, wurde natürlich etliche Male interpretiert, auch im Film. An sich müsste ich jetzt mindestens drei dieser Macbeths empfehlen, aber wenn es hart auf hart kommt, gewinnt bei mir tatsächlich ein etwas weniger beachteter Film von 2015. Kurzels Version ist in vielerlei Hinsicht untypisch: Zwar spielt das Ganze textgetreu im schottischen Mittelalter, doch ist jeder Text gestrichen, der irgendwie witzig oder heiter war. Während uns Shakespeare also noch einen Tropfen Ironie und befreiende Komik gewährt, bleibt Kurzel beim Dunkeldüsteren und Hoffnungslosen. Ausserdem ersetzt er Hexen, die seit jeher als alte böse Frauen dargestellt wurden, mit geschlechtlich diversen Wahnvorstellungen, die aus einem dämonischen Nebel hervortreten. Das Bild ist oft in tiefe Farbtöne getaucht und laut ist das Echo der Jubelrufe “All hail Macbeth!”, die ihm ständig durch den Kopf geistern. Die Bildsprache ist also enorm poetisch und atmosphärisch, was eine perfekte Basis für die grausame Poesie des Stücks bietet. Wer Kurzel dann vorwirft, nur Ästhetik der Ästhetik Willen zu betreiben, sollte dem wahnsinnigen Schotten nochmal genau zuhören: „It is a tale told by an idiot / full of sound and fury, signifying nothing.“

Filmstill aus “Coriolanus”, dir. by Ralph Fiennes

All the world’s a stage / and all the men and women merely players – dieser Satz aus As you like it ist der bekannteste Satz von William Shakespeare und der wichtigste, wenn man die Tradition des Shakespeare-Theaters verstehen möchte. Unter dem Motto, dass die ganze Welt ein Theater ist, führte er im „Globe Theatre“ Stücke für allerlei Menschen auf – alt und reich, klug und arm, klein und jung, gross und breit. Inklusiv ging sein Nachleben weiter, als man sich einig wurde, dass Shakespeares Stücke so universell sind, dass sie auch von jeder und jedem gespielt werden sollen. Shakespeares Bühne ist seither traditionell ein Ort, wo eine jede und ein jeder eine beliebige Figur darstellen kann. Dadurch werden die universellen Themen von Shakespeare – Liebe, Identität, Tod, uvm. – erst richtig universell. Macbeth als Graffiti-Sprayer, Othello als Jazz-Pianist? Wurde alles schon gemacht! Und jetzt geht es heiter weiter auf unseren Kino-Leinwänden, vor denen Shakespeares Universalität nicht haltmacht. Im Folgenden die schauspielerisch und cineastisch frischesten und stärksten Reprisen der Stücke des grössten Dichters der westlichen Welt!

 

Much Ado About Nothing von Joss Whedon (2012)

„The course of true love never did run smooth“

 

 

Fun fact voraus: „Nothing“ war zu Shakeys Zeiten ein Slangwort für Vulva und der Titel des Stücks somit ein augenzwinkernder Scherz. Tatsächlich dreht es sich in diesem Stück um die schönste Nebensache in unserem Leben und nicht viel mehr. Zu seiner Zeit dürfte es auch besonders witzig gewesen sein, dass statt Frauen und Männer nur Männer und Dragqueens auf der Bühne standen und mit viel Wortwitz balzten.

Joss Whedons Version hat ihre ganz eigenen Vorzüge. Zum einen wäre da der Kontext für Whedon: Seine Frau und er drehten diesen Film anstelle von herkömmlichen Flitterwochen, was perfekt zur feuchtfröhlichen Stimmung des Stücks passt. Es war zudem ein zeitlich überschaubarer Dreh mit Cast&Crew, deren Mitglieder ausschliesslich aus Freunden und Bekannten bestand. Ausserdem ist das grosse Fest zu Beginn des Stücks eine echte Party mit echter Live-Musik. Eine weitere Stärke des Films besteht in der Smoothness des Texts auf zeitgenössischem Amerikanisch. Die Performance aller Beteiligten ist untertrieben und nur ganz leicht campy. So frisch und lebendig hat Shakespeare schon lange nicht mehr ausgesehen!

 

Coriolanus von Ralph Fiennes (2011)

„Coriolanus is grown from man to dragon“

 

 

Aber was sag ich denn da? Shakespeare wurde erst ein Jahr zuvor frisch und lebendig verfilmt, und zwar von niemand anderem als dem begnadeten Schauspieler Ralph Fiennes. Für sein Regie-Debüt suchte er sich ein eher obskures Stück von Shakespeare aus, in dem es um einen römischen General geht, der politische Karriere macht und an der Unvereinbarkeit zwischen Militär-Ethos und Polit-Intrigen scheitert. Er versucht darauf einen Militärputsch, den er aus Liebe zu seiner Familie aufgibt.

Der Film dürfte jeden überraschen, der sich Shakespeare als staubiges Theater in bunten Kostümen vorstellt. Der Staub wird hier von Granaten und Panzern aufgewirbelt, die im Buch nur grob beschriebenen Kämpfe sehen hier wie Aufnahmen aus Nah-Ost aus. Das unzufriedene Volk ist hier eine gewalttätige Masse, die in turbulenten Szenen von Spezialkommandos der Polizei bekämpft wird. Der Text von Shakespeare wird hier gebellt und geschrien, bevor man sich an die Gurgel geht und Gebäude in die Luft jagt. Aus den Blankversen trieft hier reichlich Testosteron; So viel brachiale Energie hätte man nie hinter dem Begriff „Shakespeare“ erwartet.

 

Romeo + Juliet von Baz Luhrmann (1996)

„If love be rough with you, be rough with love“

 

 

Ersetze Testosteron mit Ecstasy und homoerotische Militärs mit wilden Teenagern, und wir sind praktisch wieder beim selben angelangt. „Romeo and Juliet“ muss man nicht mehr vorstellen, aber auch hier dominieren gewisse Stereotype bei den Leuten, sodass der Film manch einen überraschen dürfte. Denn Baz Luhrmann macht etwas ganz Entscheidendes richtig: Er nimmt „Romeo and Juliet“ nicht ernst. Die Meinung ist zwar nicht Mainstream, aber eine wohlbekannte Fraktion unter den Shakespeare-Experten versteht das Stück mehr als Parodie und campigen Spott auf die naive Liebe unter Teenagern. „Romeo + Juliet“ ist deshalb eine quietschbunte Extravaganza mit wilden Partys, übertriebenem Schmalz und nur schwer auszuhaltendem Melodram am Schluss. Aber auch hier würde man keinen anderen Text wollen als die mehrdimensionale Wortakrobatik von William Shakespeare, die tatsächlich zu jeder Figur in jeder Situation etwas Stimmiges und unglaublich Scharfsinniges zu sagen weiss.

 

Cesare deve morire von den Brüdern Taviani (2012)

„L’uomo guerriero in tempo di pace combatte sé stesso.“

 

 

Zurück zum Prinzip der Universalität von Shakespeare. Wirklich alle dürfen auf Shakespeares Bühne stehen, das wurde zum Beispiel in Projekten umgesetzt, in denen mit Häftlingen in US-amerikanischen Gefängnissen Stücke von Shakespeare aufgeführt wurden. Diese spezifische Tradition wurde dann auch andernorts weitergeführt. Ein solches Projekt in Italien wurde von den beiden talentierten Regisseur-Brüdern Paolo und Vittorio Taviani begleitet und verfilmt. Der Film zeigt uns nichts als die Proben und Aufführungen des Stücks „Julius Caesar“, wodurch die Vergangenheiten und Identitäten der Schauspielenden in den Hintergrund rücken. Das Setting des Gefängnisses wird aber nicht ausgeblendet. Eine ganz eigene Atmosphäre wird geschaffen, indem Brutus’ Rede an das römische Volk in einem Gefängnis-Innenhof gehalten wird und das römische Volk aus vergitterten Fenstern zuhört. All the world’s a stage, even the prisons.

 

Looking for Richard von Al Pacino (1996)

„You don’t have to understand every word in Shakespeare, it ain’t about that.“

 

 

Eine Menge coole Leute mögen und mochten Shakespeare. Tupac zum Beispiel – fun fact! Auch so ein cooler Shakespeare-Freund ist der gute Al Pacino (bekannt aus Scarface, The Godfather, Heat uvm). In „Looking for Richard“ gibt sich Pacino nahbar und kumpelhaft und redet ganz ungezwungen über Shakespeare, und zwar über das Stück „Richard III“. Mit einem Camcorder filmt er spontane Interviews auf der Strasse, in denen er Leute über Theater, Shakespeare und Richard dem Dritten befragt und zeigt danach, wie sein Team vom Theater mit ihm den Shakespeare-Klassiker interpretiert und vor die Kamera bringt. Gegen Schluss lässt er die Doku dann sein und zeigt uns nur noch die Shakespeare-Adaption, wir dürfen dann sozusagen ohne Pacinos Stützräder velofahren. Auch wenn der Film an sich dann die übliche Produktion mit alten Kostümen und langsamen Dialogen ist, hat man nicht das Gefühl, ausgeschlossen zu sein. Jede und jeder wird hier an die Kunst des Shakespeare-Interpretierens herangeführt, ganz im Sinne des damaligen Globe Theatres. Auch wenn Pacino genau weiss, dass der Universalitätsgedanke hinter dieser Doku steht, würde er es nie zugeben. Es wäre einfach zu prätentiös für seine Art: „It’s Shakespeare, man. It’s just cool. Just really cool, man!“

 

Macbeth von Justin Kurzel (2015)

„All hail, Macbeth, thou shalt be king hereafter!“

 

 

Einer darf bei sowas natürlich nie fehlen und das ist der, dessen Name nicht genannt werden darf. Im Ernst, es gehört in britischen Theatern zum guten Ton, niemals den Titel oder irgendeine Passage des „schottischen Stücks“ zu zitieren. Es dürfte allen klar sein wieso: Der Held der Geschichte wird mit ominösen Zaubersprüchen von Hexen verflucht, sodass er von Machtgelüsten besessen wird. Ausserdem treibt ihn der Wunsch nach Rache für sein verstorbenes Kind an. Von all dem in Rage versetzt mordet er sich auf den Thron, von wo aus er das Blut erst recht spriessen lässt, um sich irgendwie auf diesem Thron zu halten. Das Stück endet mit seinem kompletten Wahn und Niederfall, aus dem heraus er niedergeschlagen verkündet, das Leben sei wild und laut, aber letzten Endes sinnlos.

Dieses Biest von einem Theaterstück, in dem jede einzelne Zeile sprachlich perfekt durchkomponiert ist und Gänsehaut auslöst, wurde natürlich etliche Male interpretiert, auch im Film. An sich müsste ich jetzt mindestens drei dieser Macbeths empfehlen, aber wenn es hart auf hart kommt, gewinnt bei mir tatsächlich ein etwas weniger beachteter Film von 2015. Kurzels Version ist in vielerlei Hinsicht untypisch: Zwar spielt das Ganze textgetreu im schottischen Mittelalter, doch ist jeder Text gestrichen, der irgendwie witzig oder heiter war. Während uns Shakespeare also noch einen Tropfen Ironie und befreiende Komik gewährt, bleibt Kurzel beim Dunkeldüsteren und Hoffnungslosen. Ausserdem ersetzt er Hexen, die seit jeher als alte böse Frauen dargestellt wurden, mit geschlechtlich diversen Wahnvorstellungen, die aus einem dämonischen Nebel hervortreten. Das Bild ist oft in tiefe Farbtöne getaucht und laut ist das Echo der Jubelrufe “All hail Macbeth!”, die ihm ständig durch den Kopf geistern. Die Bildsprache ist also enorm poetisch und atmosphärisch, was eine perfekte Basis für die grausame Poesie des Stücks bietet. Wer Kurzel dann vorwirft, nur Ästhetik der Ästhetik Willen zu betreiben, sollte dem wahnsinnigen Schotten nochmal genau zuhören: „It is a tale told by an idiot / full of sound and fury, signifying nothing.“

Filmstill aus “Coriolanus”, dir. by Ralph Fiennes