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Liedübersetzung: “Itsumo Nando Demo” (Always With Me / Immer und immer wieder)

Tief in mir hebt eine Stimme in Träumen an zu singen
Immerfort soll die Seele in leisen Schauern schwingen.
Sollt’ es traurig regnen, im Leben und in mir,
Auf der andern Seite, da find ich dann zu Dir.

 

Und mag der Himmel sich verdunkeln
Ins Blaue träumen wir sein Funkeln.
Unbezwingbar sieht der Weg zwar aus
Doch wetterleuchtend fliegen wir nach Haus.

 

Es verengt der Moment des Abschieds mir das Herz.
Du hörst in dieser Stille meinen leisen Schmerz.
Das Wunder des Lebens, das Ende unsres Seins,
Menschen, Quellen, Wind und Wald; sie sind alle eins.

 

Tief in mir hebt eine Stimme in Träumen an zu singen
Malen wir die Stimme, wie sie ist, in alle Dinge.
Warum von Trauer sprechen, von Lebenseinsamkeit?
Mit deinem Atem, meiner Stimme, singt die Heiterkeit.

 

Auch wenn das Alter unser Lied verstummen lässt,
Am Flüstern der Reprise halten wir noch fest.
Selbst der Spiegel, der im Alter bricht,
Wirft mit seinen Scherben neues Licht.

 

Im schmalen Schimmer dieser Dämmerung
Da rauscht aus alter Ebbe wieder Flut.
Doch treibt’s mich nicht auf weite See.
Denn all mein Strahlen find ich hier
Ganz nah bei mir.

 

 

 

Dieses Lied spielt am Schluss des Films Chihiros Reise ins Zauberland (besser bekannt als Spirited Away) und wurde von einer Sängerin und Harfenistin namens Yumi Kimura aufgenommen. Für den Text engagierte sie die mit ihr befreundete Poetin Wakako Kaku. Das Lied schrieben die beiden Künstlerinnen im Auftrag vom Regisseur Hayao Miyazaki, der es in einem später verworfenen Projekt verwenden wollte. Das Lied begleitete ihn bei der Produktion von Chihiros Reise, was wahrscheinlich die Poetik und Stimmung des Filmes beeinflusste. Laut einem Fan-Wiki lautet der deutsche Titel Immer und immer wieder, den der Anime-Verleiher für den deutschen Sprachraum so übersetzte. Eine offizielle Übersetzung des Liedes selbst gibt es allerdings nicht.

 

Für den Vortrag meines Filmkommentars zu Chihiro wollte ich deshalb, dass der Inhalt des Lieds fürs Publikum verständlich wird. Lieder werden in Filmen aber nur in Ausnahmefällen für die Untertitel übersetzt, da sowas ja bereits Lyrikübersetzung ist. Eine solche Übersetzung ist inhaltlich gewagt und enorm aufwändig. Da ich aber hobbymässig bereits einige lyrische Texte übersetzt hatte, darunter auch für Filmuntertitel, ging ich das Wagnis dennoch ein.

 

Kurz zur Methode: Die mit mir befreundete Computerlinguistin Jessica Roady beherrscht Japanisch und fertigte eine inhaltliche Übersetzung ins Englische an. Dabei achtete sie nicht auf ästhetischen Ausdruck, sondern holte inhaltlich alles heraus, was im Originaltext vorliegt. Jessica vermittelte mir, der sprachliche Stil sei relativ direkt und relativ schmucklos, ohne dabei mit Emotion und Farbe zu sparen. Sie verglich den Stil mit demjenigen des amerikanischen Songwriters Gregory Alan Isakov. Mithilfe ihrer semantisch genauen Übersetzung und einer Vielzahl englischer und deutscher Übersetzungen aus dem Internet fertigte ich dann meine eigene an. Unter den Vorbildübersetzungen war eine vom Studio Ghibli selbst veröffentlichte Übersetzung auf Englisch und diese auf Deutsch sogar gesungene Version. Auch auf Englisch gibt es eine gesungene Übersetzung auf Youtube. Zur Inspiration hörte ich am liebsten dieses Cover der begabten Youtube-Sängerin Erutan – Was für eine Leidenschaft!

 

Für meine Übersetzung war mir wichtig, dass der Text nicht zu sachlich und exakt werden sollte. Das Lyrische sollte priorisiert werden, um die filmische Erfahrung und die lebensbejahende Stimmung am Ende des Films zu bereichern. Bei der Lektüre aller vorliegenden Texte wurde ich unwillkürlich an die Lyrik des deutschen Romantikers Eichendorff erinnert. Die Erwähnung von Stimmen aus dem Herzen erinnerte an das “[schlafende Lied] in allen Dingen” in Eichendorffs Wünschelrute und die Licht- und Traum-Metaphoriken wiederum an Eichendorffs Der Abend, wo Träume, Rauschen der Natur und inneres Wetterleuchten besungen werden. Gerade beim unverschämt inspirierenden Wort “Wetterleuchten” war mir klar, dass ich Eichendorff zum Vorbild nehmen musste. Damit würde ich mich gegen Jessicas Einschätzung widersetzen, die Sprache sei bei aller Emotionalität schlicht und unaufgeregt zu halten. Lieber wollte ich romantischen Herzschmerz in Form von Traumschauern und Wetterleuchten in meine Übersetzung einfliessen lassen.

 

Und so kommt es zu den Ausdrücken “wetterleuchtend” im achten Vers, “Schauern” im zweiten und “alle Dinge” im vierzehnten. Der zwölfte Vers spricht im Original von Blumen, dem Wind und einer Stadt. Der Vers darauf macht eine Aussage, die an romantischen Pantheismus erinnert: Es ist alles eins. Also musste wieder deutsche Romantik her: In Eichendorffs Der Unverbesserliche fand ich den Vers “Lerchen, Quellen und Wald”. Das Konzept von Stadt findet man selten in der deutschen Romantik, da sie sich ja lieber in die Peripherie flüchtet (Natur oder Fremde) – auch im Film kommt die Stadt nur als negatives Setting ganz am Anfang vor. Lieber schrieb ich also vom “Menschen”, der die “Lerchen” klanglich wunderbar ersetzen kann und nahm noch den Wind hinzu, weil er bei allen Vorbildern eine (teils buchstäblich) tragende Rolle spielt: in allen Filmen von Miyazaki, in Kakus Originaltext und natürlich wiederum bei Eichendorff. Ausserdem alliteriert er so schön mit dem Wald. Goethe stiess noch dazu beim Vers mit dem Abschieds-Herzschmerz. Das Original beinhaltet genau so diese drei Elemente, Abschied und schmerzendes Herz, und das deckt sich sehr schön mit Goethes Vers “Verengt der Abschied mir das Herz” aus Willkommen und Abschied, den ich hier praktisch gleich wiederhole. Der Inhalt orientiert sich am Original und weicht gelegentlich ab, um die Metaphorik freier und dafür schöner auf Deutsch wiederzugeben. Die Stelle mit dem spät im Leben zerbrechenden Spiegel in den Versen 21&22 ist aber sehr nah am Original und selbst auf Deutsch, wenn ich das selber so sagen darf, sehr gut gelungen.

 

Abschliessend will ich einfach sagen, dass so eine Übersetzung wirklich Spass macht. Ich möchte jede und jeden dazu animieren, in welchem Zusammenhang auch immer, selbst einmal Lyrisches zu übersetzen. Erst recht in einem bedeutungsreichen Kontext wie eine Filmuntertitelung, weil man da einfach sehr deutlich spürt, wie reichhaltig und spannend das Aufeinandertreffen verschiedener Strömungen und Vorbilder ist. Die Erfahrung hat mir erneut gezeigt, wie unglaublich bereichernd es ist, die verschiedenen Stimmen unserer Welt kennenzulernen: die japanische Filmkunst von Miyazaki, die romantische Dichtung Eichendorffs, Indie-Songwriting von Gregory Alan Isakov, aber auch die mir ansonsten unbekannte Poetin Wakako Kaku oder der Klang der japanischen Harfe. Im Dienste standen genau so die unzähligen Menschen dadraussen, die aus Leidenschaft das Internet mit ihren Transkripten und Übersetzungen bereichern, und dazu noch eine persönliche Freundschaft von mir. Und dieses bunte Allerlei und meine eigene Anstrengung, sie alle können manchmal in etwas gipfeln, das dann trotz allen Reichtums und Dichte nur einmal über eine Leinwand blitzt und somit von nur wenigen Menschen wahrgenommen werden wird. Und das ist OK.

Blitzartig und doch still: das Wetterleuchten

Tief in mir hebt eine Stimme in Träumen an zu singen
Immerfort soll die Seele in leisen Schauern schwingen.
Sollt’ es traurig regnen, im Leben und in mir,
Auf der andern Seite, da find ich dann zu Dir.

 

Und mag der Himmel sich verdunkeln
Ins Blaue träumen wir sein Funkeln.
Unbezwingbar sieht der Weg zwar aus
Doch wetterleuchtend fliegen wir nach Haus.

 

Es verengt der Moment des Abschieds mir das Herz.
Du hörst in dieser Stille meinen leisen Schmerz.
Das Wunder des Lebens, das Ende unsres Seins,
Menschen, Quellen, Wind und Wald; sie sind alle eins.

 

Tief in mir hebt eine Stimme in Träumen an zu singen
Malen wir die Stimme, wie sie ist, in alle Dinge.
Warum von Trauer sprechen, von Lebenseinsamkeit?
Mit deinem Atem, meiner Stimme, singt die Heiterkeit.

 

Auch wenn das Alter unser Lied verstummen lässt,
Am Flüstern der Reprise halten wir noch fest.
Selbst der Spiegel, der im Alter bricht,
Wirft mit seinen Scherben neues Licht.

 

Im schmalen Schimmer dieser Dämmerung
Da rauscht aus alter Ebbe wieder Flut.
Doch treibt’s mich nicht auf weite See.
Denn all mein Strahlen find ich hier
Ganz nah bei mir.

 

 

 

Dieses Lied spielt am Schluss des Films Chihiros Reise ins Zauberland (besser bekannt als Spirited Away) und wurde von einer Sängerin und Harfenistin namens Yumi Kimura aufgenommen. Für den Text engagierte sie die mit ihr befreundete Poetin Wakako Kaku. Das Lied schrieben die beiden Künstlerinnen im Auftrag vom Regisseur Hayao Miyazaki, der es in einem später verworfenen Projekt verwenden wollte. Das Lied begleitete ihn bei der Produktion von Chihiros Reise, was wahrscheinlich die Poetik und Stimmung des Filmes beeinflusste. Laut einem Fan-Wiki lautet der deutsche Titel Immer und immer wieder, den der Anime-Verleiher für den deutschen Sprachraum so übersetzte. Eine offizielle Übersetzung des Liedes selbst gibt es allerdings nicht.

 

Für den Vortrag meines Filmkommentars zu Chihiro wollte ich deshalb, dass der Inhalt des Lieds fürs Publikum verständlich wird. Lieder werden in Filmen aber nur in Ausnahmefällen für die Untertitel übersetzt, da sowas ja bereits Lyrikübersetzung ist. Eine solche Übersetzung ist inhaltlich gewagt und enorm aufwändig. Da ich aber hobbymässig bereits einige lyrische Texte übersetzt hatte, darunter auch für Filmuntertitel, ging ich das Wagnis dennoch ein.

 

Kurz zur Methode: Die mit mir befreundete Computerlinguistin Jessica Roady beherrscht Japanisch und fertigte eine inhaltliche Übersetzung ins Englische an. Dabei achtete sie nicht auf ästhetischen Ausdruck, sondern holte inhaltlich alles heraus, was im Originaltext vorliegt. Jessica vermittelte mir, der sprachliche Stil sei relativ direkt und relativ schmucklos, ohne dabei mit Emotion und Farbe zu sparen. Sie verglich den Stil mit demjenigen des amerikanischen Songwriters Gregory Alan Isakov. Mithilfe ihrer semantisch genauen Übersetzung und einer Vielzahl englischer und deutscher Übersetzungen aus dem Internet fertigte ich dann meine eigene an. Unter den Vorbildübersetzungen war eine vom Studio Ghibli selbst veröffentlichte Übersetzung auf Englisch und diese auf Deutsch sogar gesungene Version. Auch auf Englisch gibt es eine gesungene Übersetzung auf Youtube. Zur Inspiration hörte ich am liebsten dieses Cover der begabten Youtube-Sängerin Erutan – Was für eine Leidenschaft!

 

Für meine Übersetzung war mir wichtig, dass der Text nicht zu sachlich und exakt werden sollte. Das Lyrische sollte priorisiert werden, um die filmische Erfahrung und die lebensbejahende Stimmung am Ende des Films zu bereichern. Bei der Lektüre aller vorliegenden Texte wurde ich unwillkürlich an die Lyrik des deutschen Romantikers Eichendorff erinnert. Die Erwähnung von Stimmen aus dem Herzen erinnerte an das “[schlafende Lied] in allen Dingen” in Eichendorffs Wünschelrute und die Licht- und Traum-Metaphoriken wiederum an Eichendorffs Der Abend, wo Träume, Rauschen der Natur und inneres Wetterleuchten besungen werden. Gerade beim unverschämt inspirierenden Wort “Wetterleuchten” war mir klar, dass ich Eichendorff zum Vorbild nehmen musste. Damit würde ich mich gegen Jessicas Einschätzung widersetzen, die Sprache sei bei aller Emotionalität schlicht und unaufgeregt zu halten. Lieber wollte ich romantischen Herzschmerz in Form von Traumschauern und Wetterleuchten in meine Übersetzung einfliessen lassen.

 

Und so kommt es zu den Ausdrücken “wetterleuchtend” im achten Vers, “Schauern” im zweiten und “alle Dinge” im vierzehnten. Der zwölfte Vers spricht im Original von Blumen, dem Wind und einer Stadt. Der Vers darauf macht eine Aussage, die an romantischen Pantheismus erinnert: Es ist alles eins. Also musste wieder deutsche Romantik her: In Eichendorffs Der Unverbesserliche fand ich den Vers “Lerchen, Quellen und Wald”. Das Konzept von Stadt findet man selten in der deutschen Romantik, da sie sich ja lieber in die Peripherie flüchtet (Natur oder Fremde) – auch im Film kommt die Stadt nur als negatives Setting ganz am Anfang vor. Lieber schrieb ich also vom “Menschen”, der die “Lerchen” klanglich wunderbar ersetzen kann und nahm noch den Wind hinzu, weil er bei allen Vorbildern eine (teils buchstäblich) tragende Rolle spielt: in allen Filmen von Miyazaki, in Kakus Originaltext und natürlich wiederum bei Eichendorff. Ausserdem alliteriert er so schön mit dem Wald. Goethe stiess noch dazu beim Vers mit dem Abschieds-Herzschmerz. Das Original beinhaltet genau so diese drei Elemente, Abschied und schmerzendes Herz, und das deckt sich sehr schön mit Goethes Vers “Verengt der Abschied mir das Herz” aus Willkommen und Abschied, den ich hier praktisch gleich wiederhole. Der Inhalt orientiert sich am Original und weicht gelegentlich ab, um die Metaphorik freier und dafür schöner auf Deutsch wiederzugeben. Die Stelle mit dem spät im Leben zerbrechenden Spiegel in den Versen 21&22 ist aber sehr nah am Original und selbst auf Deutsch, wenn ich das selber so sagen darf, sehr gut gelungen.

 

Abschliessend will ich einfach sagen, dass so eine Übersetzung wirklich Spass macht. Ich möchte jede und jeden dazu animieren, in welchem Zusammenhang auch immer, selbst einmal Lyrisches zu übersetzen. Erst recht in einem bedeutungsreichen Kontext wie eine Filmuntertitelung, weil man da einfach sehr deutlich spürt, wie reichhaltig und spannend das Aufeinandertreffen verschiedener Strömungen und Vorbilder ist. Die Erfahrung hat mir erneut gezeigt, wie unglaublich bereichernd es ist, die verschiedenen Stimmen unserer Welt kennenzulernen: die japanische Filmkunst von Miyazaki, die romantische Dichtung Eichendorffs, Indie-Songwriting von Gregory Alan Isakov, aber auch die mir ansonsten unbekannte Poetin Wakako Kaku oder der Klang der japanischen Harfe. Im Dienste standen genau so die unzähligen Menschen dadraussen, die aus Leidenschaft das Internet mit ihren Transkripten und Übersetzungen bereichern, und dazu noch eine persönliche Freundschaft von mir. Und dieses bunte Allerlei und meine eigene Anstrengung, sie alle können manchmal in etwas gipfeln, das dann trotz allen Reichtums und Dichte nur einmal über eine Leinwand blitzt und somit von nur wenigen Menschen wahrgenommen werden wird. Und das ist OK.

Blitzartig und doch still: das Wetterleuchten